RATGEBER

Ulcus Cruris (offenes Bein) Kompaktratgeber 2024

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Von Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Kerstan

Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Universitätsklinikum Würzburg

Qualitätsprüfung

Nach wissenschaftlichen Standards von Medizinern verfasst
Zuletzt aktualisiert am 02.01.2024
Lesezeit ca. 9 Minuten

Ulcus cruris kurz zusammengefasst

Das Ulcus cruris („offenes Bein“) ist ein Geschwür am Unterschenkel, das langsam oder gar nicht heilt. Die offene Wunde ist dabei einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt, da Erreger in das darunter liegende Gewebe eindringen können.

Eigentlich ist das Ulcus cruris ein Symptom einer zugrundeliegenden Krankheit. Wenn ein chronisches Venenleiden vorliegt, spricht man von einem venös-bedingten Ulcus cruris (Ulcus cruris venosum). Wenn eine Verkalkung der Arterien vorliegt, spricht man von einem arteriell-bedingten Ulcus cruris (Ulcus cruris arteriosum). Liegt eine Mischform aus beiden vor, spricht man von Ulcus cruris mixtum.

In Deutschland ist etwa die Hälfte der Ulcus-cruris-Patienten mit Ulcus cruris venosum diagnostiziert. Betroffene leiden z.B. an Krampfadern oder einer tiefen Beinvenenthrombose, die zu dem Venenleiden führen. Entsteht dann im Unterschenkel eine Wunde, heilt diese nur langsam oder gar nicht. Der anhaltende Rückstau des Blutes in den Beinen verhindert eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen. Für betroffene Patienten bedeutet das Unterschenkelgeschwür häufig: Schmerzen, Jucken, Schwellungen und wöchentliche Arztbesuche zum Verbandswechsel und Wiederanlage des Kompressionsverbands.

Die Behandlungsoptionen für das „offene Bein“ sind in den letzten Jahrzehnten besser geworden, aber immer noch eingeschränkt. Die Forschung ist jedoch dabei, neue und innovative Therapieansätze zu entwickeln. So soll Menschen geholfen werden, die unter einem Ulcus cruris leiden und bisher keine optimale Therapie gefunden haben.

In diesem Ratgeber erfahren Sie praxisnahe Informationen, die für den Umgang mit einem Ulcus cruris nützlich sein können.

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Inhalt

ÜBERBLICK

Steckbrief Ulcus cruris

Als chronisches Ulcus cruris bezeichnet man offene Wunden am Unterschenkel, die meist bis in tiefere Hautschichten reichen und nur langsam oder gar nicht abheilen. Das Ulcus cruris wird auch als „offenes Bein“ oder „Unterschenkelgeschwür” bezeichnet.

Die Ursache des Ulcus cruris liegt in Deutschland bei ca. 50% der Fälle an einem chronischen Venenleiden, das entweder durch Krampfadern, eine tiefe Beinvenenthrombose oder durch Verletzungen, z.B. durch Unfälle, bedingt ist. In diesen Fällen spricht man von einem venös-bedingten Ulcus cruris (Ulcus cruris venosum). Eine weitere Ursache für das Ulcus cruris stellt die Verkalkung der Arterien in den Beinen dar, die sogenannte periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK). In diesen Fällen spricht man von einem arteriell-bedingten Ulcus cruris (Ulcus cruris arteriosum). Außerdem gibt es arteriell-venös bedingte kombinierte Varianten, die einen Ulcus cruris begünstigen. Hier spricht man von einem Ulcus cruris mixtum. In Deutschland leiden etwa 80.000 Personen an einem „offenen Bein“, in den meisten Fällen sind es Frauen im höheren Alter.1

Die offenen Wunden der Patienten sind einem konstanten Infektionsrisiko ausgesetzt. Daher muss medizinisches Fachpersonal die betroffenen Stellen regelmäßig reinigen und spezielle Verbände anlegen. Die Wundreinigung bildet das Grundgerüst der Versorgung eines Ulcus cruris. Manchmal kommen auch operative oder medikamentöse Behandlungen zum Einsatz.2

Sie können einem Ulcus cruris vorbeugen, indem Sie verschiedene beeinflussbare Risikofaktoren, wie Alkoholkonsum, Rauchen, oder Übergewicht, vermeiden.2 Regelmäßiger Sport ist besonders ratsam, um langfristig eine gute Durchblutung zu fördern.

Die wichtigsten Fakten zum Ulcus cruris:

Ein Ulcus cruris entsteht nie „von alleine“. Grundvoraussetzung ist häufig eine Durchblutungsstörung der Beine.

Diese Durchblutungsstörung wird meist im Rahmen einer chronischen Veneninsuffizienz (kurz: CVI) oder peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (kurz: pAVK) verursacht.

Viele Patienten haben bereits eine CVI im Endstadium. Diese macht sich davor meist durch Krampfadern bemerkbar.3

 

Vor dem 40. Lebensjahr tritt das Ulcus cruris selten auf. Ab einem Alter von 75 Jahren, steigt das Erkrankungsrisiko deutlich an.



Frauen sind häufiger betroffen als Männer.4



Die Wunde reicht oft bis in tiefere Gewebeschichten, manchmal sogar bis zum Knochen.



Die Behandlung, Prävention und Prognose variiert je nachdem, welche Grundkrankheit das Ulcus cruris ausgelöst hat.

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HINTERGRUNDWISSEN

Was genau ist
ein Ulcus cruris?

Ulcus cruris ist ein Unterschenkelgeschwür und bezeichnet eine chronische, schlecht heilende Wunde. Der Begriff stammt aus dem lateinischen:

  • Ulcus = Geschwür
  • Crus = Unterschenkel


Es gibt verschiedene Arten des Ulcus cruris. Sie haben teilweise sehr unterschiedliche Risikofaktoren, doch in den meisten Fällen ist der Blutfluss gestört, wodurch das betroffene Gewebe nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden kann.1

Ulcus cruris venosum

Eine chronische Venenschwäche führt zu einer chronisch-venösen Insuffizienz (kurz: CVI) und kann zu einem venös-bedingten Unterschenkelgeschwür, dem Ulcus cruris venosum, führen. Bei einer Venenschwäche ist der Rückfluss des Blutes zum Herzen erschwert, weil z.B. die Venenklappen nicht mehr richtig funktionieren. Dies kann dazu führen, dass sich das nährstoffarme Blut im Unterschenkel staut. Das Gewebe wird folglich nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt, die für den Heilungsprozess benötigt werden. Der Arzt diagnostiziert ein Ulcus cruris venosum, wenn durch die Venenschwäche eine offene chronische Wunde bis mindestens in die Unterhaut reicht.2

Ulcus cruris arteriosum

Diese Form des „offenen Beins“ ist weitaus seltener. Ähnlich wie beim Ulcus cruris venosum liegt dem Ulcus cruris arteriosum ebenfalls eine Durchblutungsstörung zugrunde, die auf Dauer zu einem Unterschenkelgeschwür führt. Wenn die Arterien des Beins eingeengt sind, spricht man von einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Sie wird manchmal auch „Schaufensterkrankheit“ genannt, da die Betroffenen durch ihre Schmerzen in den Beinen scheinbar an jedem Schaufenster stehen bleiben müssen. Durch die Verengung der Arterien kann das darunterliegende Gewebe nicht mehr ausreichend mit nährstoffreichem Blut versorgt werden. So wird die Haut geschädigt und es entsteht nach geraumer Zeit ein Ulcus cruris.3

Ulcus cruris mixtum

Es ist zwar eher seltener der Fall, doch es gibt auch Menschen, die sowohl von einer CVI als auch einer pAVK betroffen sind. Entwickelt der Betroffene ein „offenes Bein“, können sich die Symptome eines Ulcus cruris venosum und eines Ulcus cruris arteriosum vermischen. Diese Mischform nennen Fachleute Ulcus cruris mixtum.

Weitere Subtypen von Ulcus cruris

Des Weiteren gibt es auch spezifischere Bezeichnungen des Ulcus cruris, die über die Hauptursache des Geschwürs informieren:

  • Ulcus cruris varicosum: Krampfadern als Hauptursache, Unterform des Ulcus cruris venosum
  • Ulcus cruris postthromboticum: Postthrombotisches Syndrom als Hauptursache, Unterform des Ulcus cruris venosum
  • Ulcus cruris traumaticum: Unfall als Hauptursache
  • Ulcus cruris neoplasticum: Krebs als Hauptursache
  • Ulcus cruris infectiosum: Infektion als Hauptursache1

Infotabelle: venös vs. arteriell

Ulcus cruris venosum
Ulcus cruris arteriosum
Ausgangszustand
Chronische Veneninsuffizienz (CVI)
Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
Problem
Nährstoffarmes Blut kann nicht abfließen
Nährstoffreiches Blut kann nicht zufließen
Typische Stelle der Wunde
An der Innenseite des Unterschenkels oder am Innen- oder Außenknöchel
An den äußeren Rändern des Fußes, am Schienbein oder dem Unterschekel seitlich
Farbe der Wunde
Braun, blau, schwarz
Rot, gelb, schwarz
Aussehen rund um die Wunde
Wassereinlagerung, Pigmentierung der Haut
Blasse, kalte Haut
Wundrand
Unregelmäßig, flach
Wie mit einer Schablone ausgestochen
Tiefe der Wunde
Oberflächlich bis tief
Tief
Flüssigkeitsaustritt
Stark
Gering
Puls am Fuß
Ja
Nicht immer erfassbar
Schmerzen
Keine bis mäßig
Mäßig bis stark
Schmerzlinderung
Beine hochlagern
Beine tieflagern

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Ursachen und Risikofaktoren

Wie entsteht
ein Ulcus cruris?

Eine schlechte Durchblutung fördert die Bildung eines Ulcus cruris. Ursache sind geschädigte Arterien oder Venen. So ist die Entstehungsgeschichte dieser Erkrankung von der Art des geschädigten Blutgefäßes abhängig.

So bildet sich ein Ulcus cruris venosum

Ein Ulcus cruris venosum ist die Endstation einer langen Kettenreaktion. Jeder Patient, bei dem ein Ulcus cruris venosum diagnostiziert wird, leidet seit bereits geraumer Zeit an einer Venenschwäche.

Was ist eine chronische Venenschwäche (kurz: CVI)?

Das offensichtlichste Symptom einer Venenschwäche sind Krampfadern, bei der sich die Venen verlängern und knotig aussacken. Durch diese Verlängerung kann das Blut nicht mehr gut zum Herz zurückfließen. Das Blut staut sich daher im Bereich des Unterschenkels, wodurch vermehrt Wasser in das umliegende Gewebe austritt.5 Diese Wasseransammlungen im Gewebe heißen Ödeme. Wenn sie über längere Zeit bestehen, kommt es zu einer Sklerose, bei der sich das Bindegewebe rund um die Ödeme verhärtet. Durch diese Verhärtung kann das betroffene Gewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und anderen Nährstoffen versorgt werden. Wenn dieser Zustand für längere Zeit unverändert bleibt, entstehen Geschwüre.6

Risikofaktoren einer CVI

  • Übergewicht
  • Plötzliche Wärme (Saunas oder heiße Bäder)
  • Überwiegend sitzende oder stehende, monotone Tätigkeiten
  • Alkohol
  • Enge Kleidung oder hohe Schuhabsätze
  • Hohes Alter
  • Genetische Veranlagung
  • Hormonelle Veränderungen z.B. im Rahmen einer Schwangerschaft
  • Thrombosen2

Stadien der CVI

Eine CVI entsteht langsam und ist meist in den Frühstadien schon gut erkennbar, wenn man die Anzeichen dafür kennt. Die CVI wird in drei Stadien unterteilt:

  • Stadium I: Vorübergehende Schwellungen an Füßen und Unterschenkeln und bläuliche Venen am Rand des Fußes (Indiz für einen Flüssigkeitsstau)
  • Stadium II: Permanente Schwellungen und Ödeme an den Beinen und Füßen. Bläuliche oder bräunliche Färbungen. Schmerzhafte Verhärtungen des Gewebes
  • Stadium III: Aufgrund der nicht ausreichenden Durchblutung entsteht ein Ulcus cruris venosum2

So bildet sich ein Ulcus cruris arteriosum

Beim arteriell bedingten Unterschenkelgeschwür wird die Mangelversorgung des Gewebes durch die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) verursacht.

Was ist eine pAVK?

Eine pAVK ist ein sehr ernstzunehmender Krankheitszustand, denn hierbei sind oft auch zusätzlich zu den Unterschenkeln weitere Arterien betroffen. Neben der Gefahr eines „offenen Beines“ ist dadurch auch zum Beispiel das Risiko eines ischämischen Schlaganfalles oder eines Herzinfarktes erhöht.

Risikofaktoren einer pAVK

  • Rauchen
  • Diabetes Typ 2
  • Übergewicht
  • Hoher LDL-Cholesterin-Wert
  • Bluthochdruck
  • Hohes Alter
  • Genetische Veranlagung
  • Diabetes Typ 17

Stadien der pAVK

  • Die pAVK kann in unterschiedliche Stadien unterteilt werden. Die Einteilung erfolgt aufgrund der Gehfähigkeit des Betroffenen.

    • Stadium I: Keine offensichtlichen Symptome
    • Stadium IIa: Der Patient kann mehr als 200 Meter gehen
    • Stadium IIb: Es sind nur mehr weniger als 200 Meter möglich
    • Stadium III: Dauerhafte Ruheschmerzen
    • Stadium IV: Es ist ein Ulcus cruris arteriosum entstanden7

SYMPTOME

Nicht immer mit Schmerzen verbunden

Bei Ulcus cruris handelt es sich um eine (meist tiefe) Wunde, die im Vergleich zu einer normalen Verletzung nicht wieder von selbst heilt. In Extremfällen kann die Wunde sogar bis auf die Knochen reichen. Die Wunde ist bei den meisten Patienten konstant feucht. Die heraustretende Flüssigkeit weicht die Ränder der Wunde auf. Auch in Bezug auf die Symptome gilt es zwischen den beiden Hauptformen von Ulcus cruris zu unterscheiden.

So äußert sich das Ulcus cruris venosum:

Die Wunde befindet sich typischerweise unterhalb des Knies auf der Innenseite des Schenkels, kann aber auch am äußeren Sprunggelenk liegen. Das Geschwür windet sich in manchen Fällen rund um das gesamte Bein. Wenn die Wunde nicht infiziert ist, sind die Schmerzen in der Regel nur gering bis minimal. Folgende Symptome können ebenfalls auftreten:

  • Braun, blau oder schwarz gefärbte Haut
  • Schleimiger Ausfluss
  • Schwellungen
  • Entzündung
  • Juckende, verhärtete Haut
  • Schuppenbildung6

So äußert sich das Ulcus cruris arteriosum:

Der Begriff „offenes Bein“ ist für ein Ulcus cruris arteriosum etwas irreführend, denn meist befindet sich das Geschwür am Fuß, an der Ferse, an den Zehen, weniger am Unterschenkel. Ein Ulcus cruris arteriosum kann jedoch auch an anderen Stellen auftreten. Die Wunden sehen oft so aus, als hätte man die Haut mit einer Keksform ausgestanzt. Das Ulcus cruris arteriosum ist deutlich schmerzhafter als das Ulcus cruris venosum und zeichnet sich oft auch durch folgende Symptome aus:

  • Rote, gelbe oder schwarze Wunde
  • Tiefe Wunde
  • Betroffene Stelle fühlt sich kalt an
  • Straffe, haarlose Haut
  • Das Bein rötet sich, wenn man es baumeln lässt, und wird blass, wenn es hochgelagert wird3

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DIAGNOSE

Meist genügt ein Blick

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Da die Entstehung eines Ulcus cruris das Endstadium einer CVI oder pAVK voraussetzt und die Symptome unverwechselbar sind, ist die Diagnose größtenteils sehr schnell gestellt. Die meisten Hausärzte erkennen ein Ulcus cruris auf den ersten Blick und wissen, wie sich ein chronisches Unterschenkelgeschwür von einer normalen Wunde unterscheidet.

Anamnese

Mit der Diagnose der Krankheit selbst ist es noch nicht getan. Um den Patienten heilen zu können, bedarf es mehr, als Verbände anzulegen und die Krankheit oberflächlich zu behandeln. Ärzte müssen die Ursachen ermitteln, damit mögliche Behandlungswege in Betracht gezogen werden können.

Hierfür wird der Behandler meist als erstes Ihre Krankengeschichte erheben, damit er sich ein detailliertes Bild von Ihrer aktuellen Situation machen kann. Er fragt z. B.:

  • Wann haben Sie zum ersten Mal die Wunde bemerkt?
  • Ist die Wunde in den letzten Wochen größer oder kleiner geworden?
  • Ist die Wunde schmerzhaft?
  • Wurde bei Ihnen bereits eine CVI oder pAVK diagnostiziert?
  • Haben Sie Schmerzen beim Gehen?

Genauere Untersuchung der Wunde und der darunterliegenden Gefäße

Nach oder während der Anamnese wird der Arzt die Wunde unter die Lupe nehmen und das Gewebe auf Verhärtungen oder Ausfluss überprüfen. Zusätzlich kann der Arzt eine Ultraschalluntersuchung veranlassen oder diese an Ort und Stelle selbst durchführen. Mithilfe des Ultraschalls kann sich der Arzt ein Bild vom Innenleben des betroffenen Bereichs verschaffen und Gefäße wie Venen oder Arterien bildlich darstellen.3 So kann der Arzt bereits erkennen, welche Durchblutungsstörung vorliegt.

Blutuntersuchungen

Mithilfe einer Blutprobe kann der Arzt sehr gut feststellen, ob ein Diabetes mellitus vorliegt. Falls ja, berücksichtigt der Arzt auch die Behandlung der Zuckerkrankheit als Teil des Behandlungsplans.

Abstrich der Wunde

Insbesondere wenn die Wunde infiziert aussieht, ist es wahrscheinlich, dass der Arzt einen Abstrich der Wunde macht und diese Probe zur Auswertung in ein Labor schickt. Dadurch können mögliche Erreger in der Wunde und dem darum liegenden Gewebe identifiziert werden.2 Erst danach kann der Arzt bei Bedarf eine begonnene Antibiotika-Therapie dem Abstrichergebnis anpassen.

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Verlauf und Prognose

Aussichten auf Heilung

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Ein behandeltes Ulcus cruris venosum heilt in der Regel besser und schneller (meist binnen 4 Monaten) als ein arterielles Ulcus cruris. Allerdings ist die Rückfallrate bei dieser Form deutlich höher.1

Wie bei den meisten Erkrankungen ist eine konsequente Therapie und Nachbehandlung entscheidend, um ein Ulcus cruris zu heilen und Rückfällen vorzubeugen. Ein wichtiger Faktor bei der Prognose ist das Alter des Patienten, da die Wundheilung bei älteren Menschen ohnehin schon verlangsamt ist. Bei älteren Menschen braucht das „offene Bein“ möglicherweise sogar mehrere Jahre, um zu heilen. In schweren Fällen kann es sein, dass keine Besserung eintritt.

Patienten können selbst einige Maßnahmen ergreifen und so ihre Chance auf Heilung erhöhen:

  • Egal, ob arteriell oder venös: Regelmäßige und ausreichende Bewegung fördert die Durchblutung in den Beinen.
  • Beim Ulcus cruris venosum kann eine gründlich durchgeführte Kompressionstherapie die Durchblutung verbessern und so den Krankheitsverlauf entscheidend beeinflussen.
  • Beeinflussbare Risikofaktoren für ein Ulcus cruris wie Rauchen oder Übergewicht sollten Sie vermeiden, um eine gesunde Durchblutung zu gewährleisten.

Behandlung und Pflege

Gründlicher Umgang
für optimale Wundversorgung

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Das Ulcus cruris und seine Ursachen sind relativ schwer behandelbar. Eine umfassende diagnostische Bewertung, die die vaskulären, metabolischen und physischen Umstände des Patienten umfasst, ist zu Beginn der Behandlung unerlässlich. Die Therapie ist häufig langwierig, und es müssen mehrere Behandlungsmethoden miteinander kombiniert werden.

Zu den Zielen jeder Behandlung zählen:

  • Förderung der Durchblutung und Verbesserung des venösen Rückflusses, z. B. Kompressionstherapie
  • Beseitigung oder Behandlung der auslösenden Ursache, z. B. chirurgische Eingriffe
  • Förderung der Heilung, z. B. Wundversorgung, Verbesserung des Lebensstils, Symptomkontrolle, Linderung der Symptome
  • Vorbeugung einer Verschlimmerung, z. B. medizinische Aufklärung des Betroffenen
  • Erhaltung einer optimalen Feuchtigkeit des Wundgewebes8

Kompressionstherapie

Bei dem Ulcus cruris venosum bildet die Kompressionstherapie meist den Ausgangspunkt der Behandlung, da sie nicht invasiv ist und eine wichtige Grundvoraussetzung (adäquate Durchblutung der Beine und Füße) schafft. Die medizinische Kompressionstherapie umfasst Kleidungsstücke oder Geräte, die eine statische oder dynamische mechanische Kompression auf eine Körperregion ausüben. In der Praxis handelt es sich hierbei größtenteils um Kompressionsstrümpfe und Kompressionsbandagen. Die Kompressionsbandage wird zu Beginn meist täglich neu angelegt. Das kann gerade am Anfang evtl. schmerzhaft sein. Das Anlegen eines Kompressionsverbands ist komplizierter als es aussehen mag und sollte nur von geschultem Gesundheitspersonal durchgeführt werden. Ein schlecht angelegter Kompressionsverband kann zum Gegenteil der erwünschten Wirkung führen und so den Krankheitsverlauf verschlechtern.9

Reinigung der Wunde

Die offene Wunde muss regelmäßig vom medizinischen Fachpersonal gereinigt werden. Hierfür werden spezielle zumeist desinfizierende Wundlösungen verwendet. Alternativ kann auch ein Debridement durchgeführt werden, bei der der Arzt die Beläge der Wundoberfläche abschabt und die Wunde anschließend reinigt.

Nachdem der Belag der Wunde entfernt wurde, können bei Bedarf Umschläge mit antibakteriellen Wirkstoffen angelegt werden, um mögliche Erreger abzutöten.

Madentherapie

Wenn sich der Zustand einer ggf. infizierten Wunde nicht verbessert, wird manchmal eine Wundreinigung mithilfe von Fliegenlarven empfohlen. Sterile Larven werden hierfür auf das Geschwür gesetzt. Die Larven verzehren dann ausschließlich das abgestorbene Gewebe der Wunde.8

Operative Behandlung

Manchmal werden auch moderne operative Verfahren benutzt, um eines oder mehrere der oben genannten Behandlungsziele zu erreichen.

Operationen bei Ulcus cruris venosum

Ein Ulcus cruris venosum wird indirekt von Krampfadern verursacht. Es gibt mehrere Methoden, um Krampfadern operativ zu entfernen:

  • Venenstripping: Es werden Schnitte knapp unterhalb der Leiste (oberer Schnitt) und am Knöchel oder in der Kniekehle (unterer Schnitt) gemacht. Am oberen Schnitt wird die Vene abgebunden. Am unteren Schnitt wird ein Draht eingeführt und langsam vorgeschoben. Am unteren Ende des Drahtes befindet sich ein sperriger Aufsatz. So kann die Vene über den oberen Schnitt komplett herausgezogen werden.
  • Phlebektomie: Die Phlebektomie funktioniert ähnlich wie das Venenstripping. Allerdings werden hierbei mehrere kleinere Schnitte getätigt und es werden Teile der Vene Schritt für Schritt entfernt. Das Verfahren wird vorrangig bei kleineren Krampfadern (oft sind sie die Seitenäste größerer Krampfadern) eingesetzt. Die Narbenbildung ist weitaus geringer als beim Venenstrippin8
  • Sklerotherapie: Flüssigkeit wird in die betroffene Vene gespritzt. Der Wirkstoff schädigt die Venenwand, welche dann zu Bindegewebe umgewandelt wird. Die Vene wird so dauerhaft verschlossen. Manchmal kann die Sklerotherapie jedoch permanente Hautverfärbungen an der Injektionsstelle hinterlassen oder zu einer Venenentzündung führen.10

Operationen bei Ulcus cruris arteriosum

Wie viele arteriell-bedingte Erkrankungen kann ein Ulcus cruris arteriosum mit einer Bypass-Operation behandelt werden.1 Hierbei wird ein neuer Schlauch für den Blutfluss in Ihrem Bein und Fuß angelegt, der den verengten oder verstopften Abschnitt der Arterie umgeht. Der neue Schlauch kann entweder künstlich hergestellt oder ein Transplantat, das aus einer Vene aus Ihrem Bein oder Arm stammt, sein. Eine weitere Möglichkeit besteht in der „Aufdehnung“ und Legen eines Drahtgitters, einen sogenannten Stent, in dem verkalkten Abschnitt einer Arterie.

Medikamentöse Behandlung

Medikamente spielen beim Ulcus cruris eine vergleichsweise geringe Rolle und können die Behandlung der Ursachen nie ersetzen. In besonders gravierenden Fällen wird eine ergänzende medikamentöse Therapie empfohlen. Im Rahmen dieser Therapie werden meist Medikamente verschrieben, die Wachstumsfaktoren enthalten, die die Wundregeneration ankurbeln sollen.2

Schwellungen entgegenwirken

Ein Ulcus cruris venosum geht meist mit einer Schwellung der Füße (Ödeme) einher, die durch Flüssigkeit verursacht wird. Wenn Sie Ihr Bein hochlagern, können Sie Schwellungen lindern. Sie könnten beispielsweise einen Koffer oder ein Kissen unter dem Fußende Ihrer Matratze platzieren, sodass Ihre Beine während der Nacht hochgelagert sind.3

Nerviges Jucken behandeln

Gerade bei Ulcus cruris venosum kann die Haut rund um die Wunde stark jucken. Meist handelt es sich dabei um ein Stauungsekzem, das mit einer Feuchtigkeitscreme oder einer Kortikosteroid-Creme behandelt werden kann.

In selteneren Fällen kann der Juckreiz auch von einer allergischen Reaktion verursacht werden, wenn Sie z. B. auf Inhaltsstoffe der Wundverbände allergisch sind.

Was auch immer die Ursache sein mag, widerstehen Sie dem Reiz sich zu kratzen, da dies die Wunde noch verschlimmern oder sogar infizieren könnte.

Behandlung infizierter Geschwüre

Eine infizierte offene Wunde äußert sich oft durch Ausfluss, steigende Schmerzen an der Wundstelle und Rötungen am Rand. In diesem Fall wird meist eine Antibiotikakur verschrieben, mit dem Ziel, die Infektion zu beseitigen. Abgesehen davon wird der Behandlungsplan, wie sonst auch, strikt befolgt.3

NEUE BEHANDLUNGEN

Forscher entwickeln neuartige Therapien

Viele Behandlungen bei Ulcus cruris sind invasiv oder auf Dauer unangenehm. Medikamentöse Optionen gegen das Ulcus cruris gibt es nur wenige. Deswegen versuchen Forscher fortlaufend neue Therapieansätze und Wirkstoffe gegen das Ulcus cruris zu entwickeln.

Ein neuartiger Wirkstoff mit möglichem Langzeiteffekt wird jetzt untersucht

Forscher untersuchen jetzt einen neuen Wirkstoff gegen das Ulcus cruris, der aus Stromazellen gewonnen wird und entzündungshemmende sowie wundheilende Eigenschaften hat. Dabei wird ebenfalls erforscht, ob dieser Wirkstoff eine langfristige Wirkung besitzt und die Wunde dauerhaft schließen kann.

Bestimmte Ulcus-cruris-Patienten können an einer aktuellen klinischen Studie mit dem neuartigen Wirkstoff teilnehmen

In einer deutschlandweiten klinischen Phase-II-Studie namens allo-APZ2-CVU, auch „Ulcus-cruris-Studie“ genannt, wird gerade die Wirksamkeit und Verträglichkeit dieses neuen Prüfmedikaments gegen Ulcus cruris untersucht. Patienten können jetzt unter bestimmten Voraussetzungen an der Ulcus-cruris-Studie teilnehmen. Sie haben dabei die Möglichkeit, das neue Prüfmedikament zu erhalten. Wenn Sie Interesse an der Studie haben, erfahren Sie hier mehr dazu:

Weiterführende Informationen

Qualitätsrichtlinie:

Die Erstellung dieses Artikels orientiert sich an der Leitlinie evidenzbasierte Gesundheitsinformation. 11

Autoren:

Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Kerstan, Tristan Auer

Medizinischer Review:

Birgit Schouren, Ann-Katrin Rueß, Frau Niebergall-Roth, Anna Mößmer

Datum:

03.05.2021

Referenzen:

Alle Referenzen wurden im April 2022 abgerufen.

Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel enthält generelle Hinweise und Informationen. Er darf keinesfalls zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung verwendet werden. Er ersetzt nicht den Arztbesuch. Für individuelle Fragen kontaktieren Sie bitte Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin. Sie haben Interesse an der Ulcus-cruris-Studie? Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Teilnahme für Sie möglich.

  1. Leading Medicine Guide. https://www.leading-medicine-guide.de/erkrankungen/haut/ulcus-cruris, aufgerufen am 5.4.2022
  2. J. Dissemond vasomed. 2015:186-192.
  3. Grey JE et al. BMJ. 2006;332(7537):347-350.
  4. Agale S Ulcers. 2013.
  5. S2k – Leitlinie “Diagnostik und Therapie der Varikose”, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/037-018l_S2k_Varikose_Diagnostik-Therapie_2019-07.pdf
  6. Patel SKK et al. Venous Insufficiency. 2021.
  7. Zemaitis MR Peripheral Arterial Disease. 2022.
  8. Kurzfassung S3-Leitlinie “ „Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronische venöse Insuffizienz“, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/091-001k_S3_Lokaltherapie_chronischer_Wunden_2015-ungueltig.pdf
  9. Ren S et al. World journal of clinical cases. 2020;8(21):5070-5085.
  10. Leitlinie „Sklerosierungsbehandlung der Varikose“, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/037-015l_S2k_Sklerosierungsbehandlung-Varikose_2019-05.pdf
  11. Leitlinie evidenzbasierte Gesundheitsinformation, Version 1.0. 2017 https://www.gesundheit.uni-hamburg.de/pdfs/leitlinie-evidenzbasierte-gesundheitsinformation.pdf

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